leerstehende Geschäfte in der Altstadtmarktpassage

Im Fokus: Das Stadtquartier am Altstadtmarkt – Blick zurück nach vorn

WandelBar: Lebenswerte Erlanger Altstadt
Rückblick auf die Oktober Wandelbar 25.10.2017
Referent: Thomas Engelhardt

In der zweiten Sitzung der WandelBar lud Thomas Engelhardt zu einem reich bebilderten Spaziergang durch das historische Stadtquartier am Altstadtmarkt ein. Die auf der Regnitzterrasse erbaute Stadt Erlangen machte sich zunehmend einen Namen als Bierstadt und bot mit dem ehemals vorstädtischen Handwerkerviertel entlang der westlichen Stadtmauer einen geeigneten Standort für die Henninger-Brauerei. 1906 fusionierte die größte Exportbrauerei mit Reifbräu und konnte als Henninger-Reifbräu AG ihren Einfluss ausweiten. Mit dem Niedergang der Brauereien nach dem zweiten Weltkrieg, erfolge ein Verkauf an Nürnberger Patrizier-Bräu und 1974 schließlich die Einstellung des Betriebes.

Parallel fanden gesamtstädtisch einige grundlegende Veränderungen statt. In den 70er Jahren etablierte sich ein neues Paradigma der Stadtentwicklung, welches eine Abkehr vom Leitbild der autogerechten Stadt vollzog. Diese Neuausrichtung führte zu einer Verlagerung des städtischen Kerns gen Süden, wo der Neue Markt und das Rathaus entstanden. Um ein Gegengewicht zu schaffen, wurde das von der Stadt erworbene Brauereigelände an einen Investor weiterverkauft, der ein mit aufwendigen Baumaßnahmen einhergehendes zeitgemäßes Einkaufviertel kreierte. Der Bau der Altstadtmarktpassage forderte erhebliche Eingriffen in die Bausubstanz und topographische Struktur des Viertels. Das ursprünglich abschüssige Gelände entlang der westlichen Stadtmauerstraße wurde angehoben, die Straße verschoben und tiefer gelegt und im gesamten überbaut. Damit wurde die Straße für den Autoverkehr entsprechend gestaltet und zugleich eine Überdachung geschaffen, deren Oberseite als großer Freiplatz des Altstadtmarktes dient.

Die mit Freitreppen, verwinkelten Strukturen und Sichtbeton gestaltete Alstadtmarktpassage galt zu ihrer Eröffnung 1976 als Glanzstück moderner Architektur. Gegenwärtig glänzt sie jedoch mit fehlender Aufenthaltsqualität, dominiert durch einen SB-Markt und vielerlei Leerstand. Dass der Charme der Altstadtmarktpassage nicht überdauern konnte, führte der Referent auf grundlegende Konstruktionsfehler zurück. Das im besten Falle als mutig zu bezeichnende Projekt wurde in einer zu großen Dimension angedacht. Die abschüssige Stadtrandlage, kleinstrukturelle Aufteilung und der Wunsch, mit der Straßenunterführung einem autogerechten Typus gerecht werden zu wollen, resultierte in einer wenig atmosphärischen Betonarchitektur.

So stellte sich auch in der zweiten Sitzung die Frage, ob dieses Areal zu einer lebenswerten Erlanger Altstadt beitragen kann. In der Diskussion wurde deutlich, dass der ansässige SB-Markt eine Nahversorgungsfunktion bietet, auf die nicht verzichtet werden kann. Es kam die Frage auf, ob der Markt nicht als archimedischer Hebel zu betrachten sei und das Ensemble beispielsweise durch die Einrichtung von Markthallen ergänzt werden könnte. Als zentraler Punkt erschien die Kommunikation mit dem Investor. Ist dieser für Veränderungen zu gewinnen? Falls ja: In welchen Dimensionen? Die Bestandspflege müsse im Interesse des Investors sein, da Leerstand und Zerfall zu einer stetigen Abwertung des Objektes führen.

Die Vorstellung entsprechender Offenheit, ließ die Ideen nur so sprudeln. Die Veranstaltung eines Architekturwettbewerbs erschien reizvoll, wenn erst einmal ein Nutzungskonzept gefunden sei. Die Etablierung eines Kindergartens, ein Nachhaltigkeitszentrum, ein Kultur- und Kunstquartierwurde ins Spiel gebracht. Es kam auch der Wunsch auf, die Stadt solle das Areal zurückkaufen, rückbauen und eine kleinteilige Bauweise realisieren. Die Idee, eine Videobotschaft zu gewünschten Projekten aufzunehmen, beflügelte das Vorhaben für die Workshoptermine im Winter.

Die beiden Workshop-Termine sind am 24.1. und 28.2. 2018. Hier sind alle eingeladen, ihre Ideen einzubringen. Vorher referiert am 22.11.2017 Lena Jakob über die Altstadt im Klimawandel und stellt dar, welche Herausforderungen die Zukunft für uns bereithält. Darüber hinaus zeigt der Verkehrsclub Deutschland (VCD) am 13.12.2017 den Film „Human Scale“. In diesem Portrait des dänischen Stadtplaners Jan Gehl werden seine Ansätze für eine Stadtgestaltung nach menschlichem Maß vorgestellt.

Als Fazit der Oktober-Wandelbar kann festgehalten werden: Es war ein spannender Abend, der Lust auf die Entwicklung von Ideen und Veränderung macht!